(Dezember 2021) Bei der Gleichstellung von Ärztinnen besteht hohes Verbesserungspotenzial. Viele der Frauen fühlen sich im Beruf benachteiligt, Corona hat die Job-Situation weiter verschlechtert, so die Ergebnisse des
aktuellen Medscape-Reports.
Mehr als die Hälfte (60 Prozent) der Ärztinnen gibt an, sich im Job als Frau benachteiligt gefühlt zu haben und in der Pandemie hat sich die Situation weiter verschlechtert. Der Medscape-Report ist eine Umfrage zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Arztberuf. Doch es gibt Grund zur Hoffnung: In einigen Bereichen wurden in den vergangenen Jahren auch Fortschritte erzielt.
Der Report zeigt, wie unterschiedlich Ärztinnen und Ärzte auch heute in Deutschland an ihrem Arbeitsplatz behandelt werden, gegen welche Probleme sie kämpfen – und wo kleine Fortschritte zu verzeichnen sind. An der Umfrage nahmen 1.040 in Deutschland
lebende Ärztinnen und Ärzte teil, 500 davon waren Frauen, 534 Männer.
Sie beantworteten einen ausführlichen Online-Fragbogen zum Thema Gleichstellung von Ärztinnen im Beruf.
Alteingefahrene Rollenmodelle bei der Kinderbetreuung
Wenig überraschend gaben 60 Prozent der weiblichen Befragungsteilnehmer an,
dass sie sich im Job als Frau bereits benachteiligt fühlten – im Vergleich zu lediglich 14 Prozent der Männer. Die Rahmenbedingungen im Berufsalltag scheinen demnach für Ärztinnen deutlich schlechter zu sein als für Ärzte. Weitere Aufschlüsse erlauben hier die Antworten zu den unterschiedlichen Sorgen im Job. So stören sich mehr Männer (16 Prozent) als Frauen (10 Prozent) am Einkommen, während Ärztinnen häufiger
Karrierechancen vermissen (8 Prozent) als Ärzte (3 Prozent). Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Kindererziehung stellt Frauen häufiger vor Probleme (15 vs. 7 Prozent). Demnach scheint die Kinderbetreuung nach wie vor eher Aufgabe der Frauen zu sein. Ist beispielsweise ein Kind krank, schlagen die alteingefahrenen Rollenmodelle nach
wie vor durch: Lediglich 3 Prozent der Ärzte gaben an, sich selbst zu kümmern, im Vergleich zu 32 Prozent der Ärztinnen. Die Antwort „Mein Partner:in“ wählten folglich 69 Prozent der Männer und 23 Prozent der Frauen.
Die offiziellen Statistiken deuten darauf hin, dass es bis zur Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern noch ein weiter Weg ist: Etwa zwei Drittel aller Medizinstudierenden sind heute Frauen – nach der Approbation schrumpft ihr Anteil bereits auf 48 Prozent. Nur etwa 31 Prozent aller Oberarzt-Positionen waren 2016 in weiblicher Hand und lediglich 13 Prozent der Führungspositionen in der Universitätsmedizin waren 2019 mit Frauen besetzt.
Umdenken bei jüngeren Männern
Aus Detailanalysen des Medscape-Reports geht allerdings hervor, dass vor allem jüngere Männer die fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf kritisch sehen: Bei unter 45-Jährigen traf dies auf 24 Prozent der Frauen und 44 Prozent der Männer zu. Unter den zwischen Anfang der 1980er- bis Ende der 1990er-Jahren geboren Millennials kritisieren diesen Aspekt 25 Prozent der Ärztinnen und 46 Prozent der Ärzte. Hier scheint also ein Umdenken im Gange zu sein.
Chefinnen auf dem Vormarsch
Die Antworten auf die Frage nach Verbesserungen der Gleichstellung in
den vergangenen Jahren zeigen zwar immer noch deutlich Luft nach oben
– aber auch, dass in manchen Bereichen Fortschritte zu verzeichnen sind: Demnach sehen 19 Prozent der Frauen und 36 Prozent der Männer Fortschritte
bei der Gleichstellung der Gehälter und Einkommen; 19 Prozent der Ärztinnen
bzw. 44 Prozent der Ärzte verzeichnen positive Entwicklungen bei
Aufstiegschancen. Mehr als die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte beobachtet zudem
positive Entwicklungen bei Teilzeitangeboten; Verbesserungen bei den
Arbeitszeiten geben 41 Prozent der Frauen und 54 Prozent der Männer an.
Auch in Bezug auf Führungspositionen scheint sich etwas zu bewegen:
So arbeiten 42 Prozent der befragten Frauen und 61 Prozent der Männer in einer
Führungsposition; weitere 18 bzw. 15 Prozent geben an, Kolleginnen oder
Kollegen zu beaufsichtigen. Zudem streben mit 39 Prozent deutlich mehr
Frauen als Männer (24 Prozent) aktuell eine Beförderung an.
Auswirkungen der Pandemie auf die Gleichstellung
Die Teilnehmer wurden darüber hinaus befragt, wie die Pandemie ihre
Einstellung zum Job verändert hat. Die Ergebnisse zeigen, dass hier
vor allem die Gesundheit und die Work-Life-Balance im Vordergrund
stehen. So schreibt eine 32-jährige Chirurgin in Elternzeit: „Das Leben ist endlich und Familie wichtiger als die Arbeit.“ Ein 38-jähriger Facharzt für Psychiatrie bestätigt: „Der Beruf beinhaltet Gefahren, die mir vor der Pandemie nicht bewusst waren.“ Viele
Ärztinnen und Ärzte äußerten aber auch Kritik an der Situation. „Warum soll man den Kopf hinhalten, wenn in den Medien nur über Lockerung, Urlaub und Party berichtet wird, statt über den Umständen entsprechendem angemessenem Verhalten“, gibt eine
66-jährige Anästhesistin zu bedenken. Weitere Informationen finden Sie unter: http://medscape.com/de-gleichberechtigung-report-2021
Quelle Text und Bild: Medscape