(März 2021) Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, den Alltag in Kliniken und Arztpraxen künftig essenziell zu verändern. Drei Förderprojekte aus den Technologieprogrammen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zeigen das Spektrum der Anwendungsgebiete auf.
Selbstlernende Algorithmen, maschinelle Simulation menschlicher Entscheidungsstrukturen oder künstliche neuronale Netze zur Gesichtserkennung sind nur ein paar der vielen Ausprägungen von Künstlicher Intelligenz (KI). KI gilt daher als die Zukunftstechnologie für fast alle Lebensbereiche.
Auch im Bereich Gesundheit können KI-Lösungen zum einen das alltägliche Arbeiten des medizinischen Personals einfacher und effizienter gestalten und zum anderen durch schnelle Datenauswertung die Versorgung von Patientinnen und Patienten signifikant verbessern. In den Technologieförderprogrammen KI-Innovationswettbewerb und Smarte Datenwirtschaft (SDW) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) werden die Potenziale von Daten und KI für die Gesundheitswirtschaft erschlossen. Beispielhaft zeigen die Projekte Telemed5000, KI-SIGS und AIQNET unterschiedliche KI-Anwendungsmöglichkeiten auf.
Mehr Effektivität durch Sprachanalyse
Allein anhand digital übermittelter Daten den gesundheitlichen Zustand von Patientinnen und Patienten verlässlich und automatisiert mitbestimmen – was nach Star Trek klingt, ist vielleicht in Kürze Realität. Im Rahmen des Projekts Telemed5000 wird eine solche Herangehensweise aktuell erfolgreich bei Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz getestet.
Dafür werden diese mit einem Tablet und einem mobilen EKG-Gerät ausgerüstet, welche die aufgenommenen Daten automatisiert an ein Telemedizinzentrum senden. Darin eingeschlossen ist unter anderem eine App, die Veränderungen in der Stimme der Patienten erkennen kann. Chronische Herzinsuffizienz geht nämlich häufig mit Wassereinlagerungen in der Lunge einher – mit Auswirkungen auf die Stimme. Patienten müssen einmal am Tag in die App hineinsprechen. Der KI-Algorithmus wertet diese und weitere Daten regelmäßig aus, erkennt automatisiert abnormale Datenverläufe und kann entsprechend Alarm auslösen. Je mehr Daten die KI-Anwendung verwenden kann, desto besser können auch ungewöhnliche Krankheitsverläufe festgestellt werden. Telemedizinzentren können so mehr Patienten gleichzeitig betreuen und sich auf die schweren Fälle konzentrieren.
Die Präventiverkennung sorgt nicht nur für eine zeitnahe Behandlung, sondern kann auch zu einer Entlastung der Krankenhäuser führen, weil so weiterführende Komplikationen verhindert werden können. Dabei besteht das Potenzial, medizinische Kosten durch Hospitalisierungen einzusparen. Aktuell werden mithilfe des Telemonitoring-Systems auch mögliche Spätfolgen von Covid-19 erforscht. In Zukunft soll es auch auf weitere chronische Krankheiten wie Diabetes zugeschnitten werden.
Assistent in der Bewegungstherapie
Auch in der Bewegungstherapie ist KI-Technologie ein potenzieller Lösungsweg, Personal zu entlasten und Patientinnen und Patienten effektiver zu behandeln. Das Projekt KI-SIGS will Bewegungstherapeutinnen und -therapeuten zukünftig ein KI-basiertes Assistenzsystem zur Seite stellen, das Patientinnen und Patienten bei der korrekten Ausführung von Bewegungsabläufen unterstützt. Das System beinhaltet eine Tiefenkamera, die alle Bewegungen während der Übung räumlich erfasst. Mithilfe von KI-Modellen wird anschließend analysiert, ob die Bewegungen richtig ausgeführt wurden oder nicht. Anhand eines Avatars oder Roboters zeigt das System dem Patienten dann die richtige Ausführung.
Bis die KI-Anwendung komplexe Bewegungsvorgänge korrekt analysiert, muss sie mit jeder Menge Daten gefüttert werden. Als Teil des Verbundprojektes KI-SIGS ist die Entwicklung der Plattform daher in den Aufbau eines Ökosystems für KI-gestützte Medizintechnik in Norddeutschland eingebunden. Auf dieser Plattform sollen verschiedene Einzelprojekte Algorithmen und Daten austauschen können.
Datenschätze nutzbar machen
Patientenfragebögen, Anamnesen, Laborberichte oder IT-Infos aus technischen Anlagen – Medizinische Einrichtungen produzieren täglich riesige Datenmengen, die meist unstrukturiert und in unterschiedlichen Formaten abgelegt werden. Das Projekt AIQNET will diesen Datenschatz zugänglich machen und so eine ganze Reihe von Anwendungen ermöglichen: Relevante Datenauswertungen können das medizinische Personal entlasten sowie Ärztinnen und Ärzte bei der Erarbeitung passender Therapiemethoden unterstützen. In Zukunft kann die automatisierte Auswertung eines Scans im Vergleich zu händischen Analysen Arbeitszeit einsparen. Außerdem können Pharma- und Medizintechnikunternehmen die Daten für Studien nutzen und wichtige Produkte deutlich schneller und günstiger auf den Markt bringen.
Ein zentrales digitales Ökosystem bündelt im Rahmen von AIQNET daher die gesammelten Daten und stellt verschiedene Apps zur Verfügung, die von Drittanbietern wie Forschungseinrichtungen und IT-Start-ups entwickelt werden. Eine automatisierte Auswertung der Datenfülle kann mit entsprechenden KI-Verfahren aus der Bild- und Sprachverarbeitung erreicht werden. Durch den Einsatz von Natural Language Processing und Methoden aus den Sprachwissenschaften werden Fließtexte maschinell erfasst und verarbeitet. Außerdem können Röntgenbilder mithilfe von KI-gestützten Bildverarbeitungsalgorithmen analysiert und interpretiert werden.
Viele weitere KI-Projekte vom BMWi gefördert
AIQNET, Telemed5000 und KI-SIGS sind nur drei der zahlreichen Projekte aus den Technologieprogrammen SDW und KI-Innovationswettbewerb des BMWi. Diese Programme sollen dazu beitragen, den Transfer digitaler Spitzentechnologien vor allem in den Mittelstand zu beschleunigen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu sichern. Weitere Anwendungsbranchen erstrecken sich von der Lebensmittelbranche über Landwirtschaft, Handel, Produktion, Logistik, Verkehr, Smart Living, Medien, Bauwirtschaft bis hin zu Quantencomputing.
Quelle Text: Dr. Stefanie Demirci und Lene Ganschow aus der Begleitforschung des KI-Innovationswettbewerbs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi)
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