(Juli 2023) Werden die Krankenhäuser mit der geplanten Klinikreform zukunftssicher sein, wird damit eine Zeitenwende angestoßen? Mit dieser Frage beschäftigten sich rund 200 kaufmännische Führungskräfte der Krankenhäuser, Rehakliniken und Pflegeheime auf der 65. Jahrestagung des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschland (VKD) unter dem Thema: „Zeitenwende für die Kliniken – mit der Reform zukunftssicher?“.
„Was passiert im kommenden Jahr und in den nächsten Jahren, wenn heute nicht richtig gehandelt wird? Der VKD hat durch den Praxisbezug in vielen Fragen oft Jahre im Voraus eine Einschätzung der weiteren Entwicklung abgeben können, die im Positiven wie leider auch im Negativen sehr häufig eingetreten ist“, sagte VKD-Präsident Dr. Josef Düllings in seiner Eröffnungsrede. Eine Reform sei im VKD nicht nur unstrittig, das habe der Verband seit Jahren gefordert. Wie diese am Ende aussehen werde, hänge auch davon ab, welche Prioritäten die Politik in Bund und Ländern setze.
Dass tatsächlich die richtigen Prioritäten gesetzt werden, daran bestünden derzeit erhebliche Zweifel in den Krankenhäusern. „Alle kaufmännischen Führungskräfte sehen sich permanent mit der Aufgabe konfrontiert, eine Balance herzustellen zwischen dem Auftrag, die Patientenversorgung nach wie vor in guter Qualität zu garantieren und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit ihrer Häuser abzusichern. Etwas, das auch durch das aktuelle politische Handeln – oder genauer müsste man sagen, durch unterlassene Hilfeleistung – für viele unserer Kollegen schon fast unmöglich geworden ist.“
Er erinnerte daran, dass jeder Mensch in seinem Leben irgendwann ein Krankenhaus braucht. Dann könne man nur hoffen, dass die Patientenversorgung noch funktioniere. „Leider werden die Risiken derzeit nicht gesehen. Man kann nur hoffen, dass sie nicht zur Realität werden.“ Er forderte die Teilnehmer auf, „bleiben wir optimistisch und kämpfen wir weiter für unsere Kliniken! Lassen wir keine Mutlosigkeit aufkommen!“
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der ein Grußwort sprach, erklärte, Reformen müssten kommen. Wichtig sei für ihn, dass sich alle Beteiligten auf ein gemeinsames Ziel einigten in der Überzeugung, dass dies zu einer besseren Versorgung führen werde, als es die gegenwärtige sei. Notwendig sei dann aber auch ein breiter Schulterschluss aller. Für ihn, so betonte er, sei eine sektorenübergreifende Versorgung wesentlich. Denjenigen, die die Transformation bewältigen müssten, sollte man das auch zutrauen.
Wie die Krankenhausversorgung im Jahr 2030 aussehen würde, stellte Prof. Dr. Boris Augurzky vom RWI Essen vor. Zur traurigen Ausgangslage erklärte er: Die Fallzahlen seien immer noch niedrig – es gebe etwa 13 Prozent weniger Fälle, die Kosten dagegen seien gestiegen. Das kommende Jahr werde noch schwieriger werden. Bereits im nächsten Jahr sei zu erwarten, dass 80 Prozent aller Krankenhäuser ein negatives Jahresergebnis ausweisen.
Was das Jahr 2030 betreffe: Die großen Trends würden unabhängig von der anstehenden Reform laufen. Dazu gehörten Ressourcenknappheit, Kapitalknappheit, Ambulantisierung der Medizin, der technologische Wandel, medizinische Innovationen.
Ändern würden sich die politischen Rahmenbedingungen: Optimierung der Strukturen, mehr Gestaltungsfreiheit vor allem im ländlichen Raum, effektive Patientensteuerung. Notwendig sei u.a. eine qualifizierte Zuwanderung für den Personalbereich.
Aktuelle Lage kritisch beleuchtet
In der Podiumsdiskussion diskutierten Prof. Dr. Augurzky, Dr. Josef Düllings, Erik Bodendieck, Präsident der Landesärztekammer Sachsen, Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG, Dr. Kristin Klaudia Kaufmann, Gesundheitsbürgermeisterin Dresdens, PD Dr. Michael A. Weber, Präsident des VLK. Zugeschaltet war Dr. Wulf-Dietrich Leber vom GKV-SV, als Moderator agierte VKD-Pressesprecher Dr. Falko Milski
Wir haben keine Angst vor planvollen Entwicklungen, betonte Dr. Gaß mit Verweis auf die Positionspapiere der DKG. Man sei in der Praxis bereits viel weiter als immer dargestellt. Die Sorge sei aber, dass aus politischer Taktik heraus ein kalter Strukturwandel laufen soll.
Während Dr. Düllings das neue Planungssystem in Nordrhein-Westfalen positiv bewertete, meinte Dr. Leber, es tauge nicht einmal als „Starterpaket“. Die Reform könne man nur gegen die Länder umsetzen. In NRW sei das nur der Anfang einer Entwicklung. Einen Bereinigungsprozess gebe es noch nicht.
Auf die Frage nach der vom BMG kürzlich veröffentlichten und in der Praxis stark kritisierten Qualitätsanalyse zur Schlaganfallversorgung, erklärte Dr. Weber, „Was wir jetzt erleben, ist eine Kampagne.“ Ihm stünden die Haare zu Berge, was da behauptet werde. 90 Prozent aller Schlaganfallpatienten kämen bereits in Stroke Units.
Herr Bodendieck bemängelte, dass ambulante und stationäre Leistungen zum Teil in der Qualitätsdebatte getrennt dargestellt würden. Das deutsche Gesundheitswesen sei sehr komplex. Jede Seite werde mal „vorgeführt“. Das führe zu Frust auf allen Seiten.
Die Frage nach finanzieller Unterstützung der Häuser brennt natürlich in der aktuellen Situation allen Führungskräften unter den Nägeln. Sind hier die kommunalen Kliniken besser dran als die anderen? Dr. Kaufmann verwies darauf, dass es einen Versorgungsauftrag für jede Region gebe. Für die öffentliche Hand sei das allerdings eine manifeste Gefahr, denn das treffe auf leere öffentliche Kassen.
Vorschläge kamen auch aus dem Fachpublikum. Betont wurde u.a. die Notwendigkeit eigener Auswirkungsanalysen, wie sie von der Fachgruppe psychiatrische Einrichtungen des VKD bereits erarbeitet wurden. Kritik kam an der Anmaßung der Politik, sich in die interne Organisation der Kliniken einzumischen.
Qualität der Krankenhausreform nur mit Einbeziehung der Praktiker
Eine Tagung, die deutlich zeigte, wie wertvoll und notwendig es ist, die Praktiker in Gesetzgebungsvorhaben wie das Reformgesetz für die Krankenhäuser intensiv einzubeziehen.
Der springende Punkt für die Krankenhäuser ist aktuell ohnehin das zwingend notwendige Vorschaltgesetz zur wirtschaftlichen Stabilisierung. Eine Zusage gibt es nach wie vor nicht. Die Ampelregierung lässt die Gesundheitsversorgung sehenden Auges in eine Katastrophe laufen. Und das ist angesichts der hohen Zahl insolvenzgefährdeter Häuser, die sich stetig vergrößert, keine Panikmache. Wenn selbst der Chef des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, jetzt bereits von „Schweiß und Tränen“ für die Wirtschaft spricht, sind die Krankenhäuser als Infrastruktur für Leben und Gesundheit der Menschen derzeit bereits noch schlimmer dran.
Quelle Text: VKD
Quelle Bild: Mirjam Bauer