(September 2021) In den USA und Großbritannien gibt es sie schon lange: Listen mit Serious Reportable Events oder Never Events, also Vorkommnisse mit hohem Schadenspotential, die prinzipiell verhinderbar sind. Nun veröffentlicht das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS) eine erste Liste „Schwerwiegender Ereignisse, die wir sicher verhindern wollen“ (SEVer-Liste).
Von der Veröffentlichung in Deutschland erwartet sich das APS, dass die Einrichtungen des Gesundheitswesens ihre Anstrengungen nochmals erhöhen, die gelisteten Vorkommnisse mittels geeigneter Maßnahmen sicher zu verhindern.
„Keine Art von unerwünschtem Ereignis kann mit absoluter Sicherheit abgewendet werden. Aber zukünftig werden sich alle Einrichtungen, in denen SEVer vorkommen, fragen müssen, ob sie alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen haben. Und zwar unabhängig davon, ob es zu einem tatsächlichen Schaden gekommen ist oder nicht,“ erläutert Dr. Ruth Hecker, Vorsitzende im APS und im Hauptberuf Chief Patient Safety Officer der Universitätsmedizin Essen. „Deshalb wurde der Name der Liste ebenso wie die aufgenommenen Ereignisse lange heiß diskutiert. Umso froher sind wir nun, das Ergebnis der Öffentlichkeit vorzustellen.“
Die APS-SEVer-Liste (ausgesprochen safer, wie das englische Wort für sicherer) umfasst insgesamt 22 schwerwiegende Vorkommnisse, die im Krankenhaus, aber auch in anderen Gesundheitseinrichtungen auftreten können. Darunter sind Klassiker der Patientensicherheit wie zum Beispiel die unbeabsichtigt im Körper belassenen Objekte und Patienten-, Eingriffs- oder Seitenverwechselungen. Andere Ereignisse sind weniger offensichtlich, aber nicht minder gravierend, zum Beispiel unmündige oder verwirrte Patient*innen, die ohne Betreuung entlassen werden oder Gefährdungen aufgrund unzureichender Instandhaltung von beziehungsweise Einweisung des Personals in Medizinprodukte. Die vollständige Liste samt Erläuterungen ist abrufbar hier.
„Ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl der SEVer war, dass diese verhinderbar sind, wenn in der betreffenden Einrichtung angemessene Sicherheitsbarrieren wirksam implementiert sind. Keines dieser Ereignisse ist neu oder unbekannt. Das APS hat zu einigen SEVer bereits Handlungsempfehlungen veröffentlicht. Uns war und ist es wichtig zu betonen, dass es bei SEVer nicht darum geht, Schuldige zu suchen, sondern präventive Schutzmaßnahmen zu verstärken und die dennoch stattfindenden Ereignisse immer zum Anlass zu nehmen, systemische Patientensicherheitsprobleme zu identifizieren und für diese nachhaltige Lösungen zu finden,“ sagt Prof. Dr. Reinhard Strametz, Generalsekretär im APS.
„Wenn die jetzt veröffentlichten SEVer tatsächlich verhindert werden, bedeutet das einen großen Schritt für die Patientensicherheit in Deutschland,“ sagt Constantin Grosch, stellvertretender Vorsitzender im APS und aktiver Patientenvertreter. „Darüber sollten aber die anderen wichtigen Anliegen der Patientensicherheit nicht vergessen werden. Denn sichere Versorgung, ganz besonders für Menschen mit Behinderungen, bedeutet mehr als nur einige eindeutig identifizierbare Ereignisse im Blick zu haben. Wirkliche Sicherheitskultur erfordert, fortlaufend nach möglichen Schadensquellen Ausschau zu halten und diese nach Möglichkeit abzustellen.“
Die Expertengruppe zur Erarbeitung der SEVer-Liste wurde von Dr. Heidemarie Haeske-Seeberg geleitet, langjährige Verantwortliche für das Qualitätsmanagement und klinische Risikomanagement der Sana Kliniken AG.
Sie ist überzeugt: „Auch ohne Aufnahme der SEVer in Richtlinien oder Gesetze wird diese Liste Wirkung in den Versorgungseinrichtungen entfalten. Ob für die Haftpflichtversicherung oder die Zertifizierer – sie alle werden zukünftig nach der Umsetzung von Präventionsmaßnahmen für diese Ereignisse fragen. Im Schadensfall müssen Einrichtungen auch vor Gericht nachweisen können, was sie getan haben, um Vorkommnisse der SEVer-Liste zu verhindern.“
Quelle Text und Bild: Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V.