(Oktober 2018) Die Schwerpunktthemen „Compliance und Automatisierung – Herausforderungen für die Krankenhaus-IT“ diskutierten im September rund 230 Teilnehmer auf der Herbsttagung im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH).
Viele Vorträge, News aus der Verbandarbeit, ausreichend Zeit für Networking und eine Industrieausstellung mit 37 Firmen am Campus Lübeck bewiesen: Das zweimal im Jahr angebotene Format, jeweils im Frühjahr und Herbst an unterschiedlichen Orten in Deutschland, bietet eine Menge Information; jedes Mal entscheiden sich mehr Fachleute und Industrievertreter zur Teilnahme. Auch das Rahmenprogramm, diesmal mit informativen Stadtführungen zu verschiedenen Themen und dem Abend im historischen Ratskeller der Stadt, trugen zu den Rekord-Teilnehmerzahlen bei.
Die Begrüßung erfolgte traditionsgemäß durch die Gastgeber: Dr. Werner Pauls, CIO des UKSH, erklärte schmunzelnd die nicht immer einfachen Rahmenbedingungen der IT des Uniklinikum an zwei Standorten: „Wenn Kiel rechts sagt, sagt Lübeck meist links … Deshalb gibt es wohl auch kein identisches KIS. In den letzten acht Jahren haben wir viel umgestellt und unter anderem zwei neue Gesellschaften gegründet“. Heute kümmern sich 142 Mitarbeiter um ca. 22.000 Endgeräte und 1150 Server, das Rechenzentrum befindet sich in Lübeck. Gut angenommen wird eine jährliche Begehung, eine Art IT-Visite, auf jeder Station, die Pauls selbst durchführt. Hier werden Herausforderungen besprochen und Wünsche der Anwender aufgenommen.
Weitere Vorträge unterstrichen die Schwerpunktthemen der Veranstaltung. Dr. Janssen, Zentralbereichsleiter IT der Gesundheit Nordhessen Holding AG, berichtete über Managed Services. Dabei entstanden erhebliche Zusatzbelastungen im Parallelbetrieb CMO/FMO für die IT-Mitarbeiter, eine Entlastung sei bis heute noch nicht eingetreten. Auch die Testphase erwies sich als recht schwierig: So bestand zeitweise eine Latenz von >3ms auf die WLAN Leitung zum Rechenzentrum der Telekom. Ein Grund, so vermutete der IT-Leiter, könne in der Programmierung von Cerner liegen.
Michael Gutmann, Abteilungsleiter Rechenzentrum und Betrieb des Universitätsklinikums Düsseldorf, referierte über die Herausforderungen der Digitalisierung in der Medizin am Beispiel der Oracle Compliance. Sein positives Fazit lautet: Die Ziele wurden erreicht, unter anderem durch Ausnutzung der RZ- Infrastruktur, Nutzung der Vorteile der Virtualisierung, Konsolidierung der Lizenzen und wirtschaftliche (Nach-)Lizensierung bei künftigen Beschaffungen.
Auch die IT-Giganten hoffen auf eine wachsende Beteiligung im großen Markt der Gesundheitswirtschaft. Microsoft sieht sich als Partner für die IT, so Daniel Kompe, Microsoft Deutschland. Ob sich diese als Symbiose oder Zwangsgemeinschaft herausstellt, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall will sich das Softwareunternehmen neu auf die Gesundheit ausrichten: mit klinischen Analysen, Genanalysen, Prozessverbesserung und vor allem vermehrter Patienteneinbindung. Neben Office 365 und Azure stehe Dynamics als neue Plattform beispielsweise für Videokonferenzen, Telefonate, Social Media etc. zur Verfügung.
Eine nicht übliche Erfahrung teilte Falk Wanzten. Er ist Systemadministrator der Klinik Bad Oexen, einer Reha-Onkologieklinik, die auch Kinder und Jugendliche integriert: Die Klinik nutzt aus Kostengründen gebrauchte Lizenzen. Ein von Microsoft angeordnetes Audit zur Prüfung wurde bestanden, auch wenn einige Lizenzen nachgekauft werden mussten. Sicherheit für die Mitarbeiter, Einheitlichkeit in der EDV-Landschaft und eine Infrastruktur, die weiter ausgebaut wird, gehören zu den Vorteilen dieser Entscheidung.
Neben dem Tagesgeschäft: Innovation!
Prof. Dr. Jens Scholz, Vorstandsvorsitzender und Vorstand für Krankenversorgung am UKSH, bestach mit seiner Keynote zur Universitätsmedizin 2030. „Meine Visionen müssen nicht stimmen, es kommt sicher alles ganz anders,“ begann er seine Ausführungen. „Früher dachten wir auch, die Digitalisierung würde an uns vorbeigehen“, so der Vordenker weiter. Er beschrieb den Wandel der IT, der das Krankenhaus erfasst habe, auch wenn die Umsetzung an vielen Stellen noch schwerfalle. „Die Menschen erwarten vom Gesundheitssystem, wie in vielen anderen Lebensbereichen auch, einen Rund-um-die-Uhr-Service. Doch dieser kann nur gelingen, wenn wir die neuen Möglichkeiten, beispielsweise künstliche Intelligenz, sinnvoll nutzen. Wenn ein Mensch Fehler macht, lernt meist nur er daraus; wenn Roboter hingegen Fehler machen, teilen Sie diese Erfahrung, so dass kein Roboter diesen Fehler wiederholt!“
Für diesen Wandel, aber auch für das Tagesgeschäft ist allerdings Unterstützung bei der Finanzierung nötig. Diesen Bedarf hat der Bundesverband der Krankenhaus-IT-Leiter durch eine Erhebung (ohne Beteiligung privater Träger) zusammengefasst. So fehlten im Bezugsjahr 2017 insgesamt 1,6 Mrd. Euro. Neben dem nicht genehmigten Investitionsbedarf für Endgeräte, klinische Systeme, Server, Netzwerk usw. fehlen auch finanzielle Ressourcen für den IT-Betrieb im Krankenhaus sowie die Einstellung von rund 2500 IT-Fachkräften. Hochgerechnet auf die kommenden fünf Jahre ergibt sich ein Finanzierungsdefizit in der Krankenhaus-IT von 11,6 Mrd. Euro. Dabei befasste sich die Erhebung mit der Finanzierungslücke zwischen genehmigtem und aus IT-Leitungssicht notwendigem IT-Budget. So bilden die Ergebnisse tendenziell den Fehlbetrag für die IT-Mindestausstattung in deutschen Krankenhäusern ab. Der KH-IT-Bundesverband ruft daher zu einer konzertierten Aktion der Gesundheitspolitik auf und fordert ein staatliches Sonderprogramm zum Aufbau einer adäquaten IT-Ausstattung im Krankenhausbereich.
Quelle Text und Bild: Mirjam Bauer