(Januar 2024) Manche MedTech-Unternehmen machen es vor: Die nachhaltige Transformation sorgt Schritt für Schritt für einen bedeutenden Wandel. Die Corporate Sustainability Directive (CSRD) der EU hat den Bereich des Nachhaltigkeitsreportings revolutioniert. Doch warum ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt, sich mit der Nachhaltigkeitsberichterstattu
Die Nachhaltigkeitsexpertin Nuvia Maslo, CCO bei Verso, erklärt die zentralen Schritte zur Erstellung eines authentischen Nachhaltigkeitsberichts und wie Unternehmen dabei sowohl unternehmensinterne als auch -externe Stakeholder im Blick behalten. Nachfolgend ein Interview:
MT: Frau Maslo, könnten Sie uns zunächst erklären, was ein Nachhaltigkeitsbericht genau beinhaltet?
Nuvia Maslo: Natürlich, gerne. Ein Nachhaltigkeitsbericht ist ein Dokument, das darstellt, wie ein Unternehmen seine ökologischen, sozialen und ökonomischen Auswirkungen managt. Dies umfasst insbesondere Themen wie Umweltschutz, soziale Verantwortung sowie ethische Geschäftspraktiken und sollte auch die wirtschaftliche Leistung berücksichtigen. Der Bericht soll transparent aufzeigen, wie das Unternehmen seine Nachhaltigkeitsziele verfolgt und Herausforderungen sowie Fortschritte misst. Zusammenfassend kann man sagen, ein Nachhaltigkeitsbericht ist Zeugnis der Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens.
MT: Können Sie uns im Kontext der Nachhaltigkeitsberichte erklären, welche der 17 globalen Nachhaltigkeitsziele besonders relevant für a) Kliniken und b) Medtechhersteller sind?
Maslo: Die Relevanz oder Wesentlichkeit ist für jedes Unternehmen, jede Organisation und ihren Kontext differenziert zu betrachten – eine grobe Richtung gebe ich aber gerne. Beginnen wir mit den Kliniken:
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Ziel 3: Gesundheit und Wohlergehen – Dies ist natürlich das Hauptziel und der Hauptbeitrag für Kliniken. Es geht darum, eine gute Gesundheitsversorgung für alle zu gewährleisten und Krankheiten zu bekämpfen.
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Ziel 6: Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen – Für Kliniken ist es entscheidend, Zugang zu sauberem Wasser zu haben und hygienische Bedingungen zu gewährleisten. Gleichzeitig sollten Kliniken darauf achten, den Wasserverbrauch so gering wie möglich zu halten.
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Ziel 7: Bezahlbare und saubere Energie – Kliniken benötigen viel Energie, daher ist es wichtig, auf nachhaltige Energiequellen zu setzen.
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Ziel 8: Gute Arbeitsplätze und wirtschaftliches Wachstum – hier liegen große Herausforderungen für Kliniken aufgrund des fordernden Arbeitsprofils für die Angestellten unter anderem aufgrund Personalmangels und Schichtarbeit sowie für die Betreiberseite aufgrund wirtschaftlicher Rahmenbedingungen.
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Ziel 12: Verantwortungsvoller Konsum und Produktion – Kliniken sollten ihren Abfall, insbesondere medizinischen Abfall, effektiv managen.
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Ziel 13: Maßnahmen zum Klimaschutz – Kliniken sollten Maßnahmen ergreifen, um ihren CO2–Fußabdruck zu reduzieren.
Nun zu den Medtechherstellern:
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Hier möchte ich auch zuerst Ziel 3 nennen: Gesundheit und Wohlergehen. Medtech kann hier massiv positiven Einfluss haben und sollte bestrebt sein, diesen immer weiter zu maximieren. Gleichzeitig gilt es natürlich, negative Auswirkungen möglichst zu reduzieren oder auszumerzen.
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Ziel 9: Industrie, Innovation und Infrastruktur – Die Medizintechnik–Branche ist per se stark innovationsgetrieben, daher ist dieses Ziel sehr relevant. Insbesondere das Ermöglichen von Kreislauffähigkeit medizinischer Produkte über innovatives Produktdesign wird für Kliniken und andere medizinische Leistungserbringer mit Blick auf deren Abfallbilanzen immer wichtiger.
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Ziel 12: Verantwortungsvoller Konsum und Produktion – Dies betrifft die nachhaltige Produktion und den effizienten Einsatz von Ressourcen in der Medizintechnik.
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Ziel 13: Maßnahmen zum Klimaschutz – Auch hier geht es um die Reduzierung der Umweltauswirkungen und des CO2-Fußabdrucks in der Herstellung.
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Ziel 17: Partnerschaften zur Erreichung der Ziele – Die Zusammenarbeit mit anderen Industrien und Sektoren ist entscheidend, um innovative Lösungen zu entwickeln.
Für beide, also Kliniken und Medizintechnik-Hersteller, gilt es zudem, faire Löhne und gerechte Arbeitsbedingungen für mehr soziale Nachhaltigkeit zu schaffen (Ziel 1 und 8). Kliniken und Medizintechnik-Hersteller spielen beide eine entscheidende Rolle, um diese umfassenden Ziele zu erreichen und somit einen werthaltigen Beitrag zur globalen Nachhaltigkeit zu leisten.
MT: Warum ist es gerade jetzt wichtig, mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu beginnen?
Maslo: Die Medizintechnikbranche steht vor großen Herausforderungen in Bezug auf Umwelt- und Gesundheitsfragen. Angesichts der sich verschärfenden Klimakrise und strenger werdender gesetzlicher Auflagen ist es unerlässlich, jetzt zu handeln. Ein Nachhaltigkeitsbericht hilft dabei, diese Herausforderungen systematisch anzugehen und zeigt Stakeholdern, dass das Unternehmen seiner Verantwortung bewusst ist.
MT: Wie kann man Greenwashing verhindern und stattdessen Vertrauen aufbauen?
Maslo: Um Greenwashing zu vermeiden, ist Authentizität entscheidend. Unternehmen sollten ehrlich über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen berichten – einschließlich der Bereiche, in denen sie noch Nachholbedarf haben. Wichtig ist, klare, messbare Ziele zu setzen und über Fortschritte und Herausforderungen gleichermaßen zu berichten. Dies fördert Transparenz und baut Vertrauen bei Kunden, Investoren und anderen Stakeholdern auf.
MT: Welche Bedeutung hat der Nachhaltigkeitsbericht für ein Unternehmen und wie wird er fortgeführt oder kontrolliert?
Maslo: Ein Nachhaltigkeitsbericht ist nicht nur eine Momentaufnahme. Er ist ein fortlaufendes Instrument zur Bewertung und Verbesserung der unternehmerischen Nachhaltigkeitspraxis. Die Fortführung und Kontrolle des Berichts erfordert ein regelmäßiges Überprüfen der gesetzten Ziele, die Anpassung von Strategien und die transparente Kommunikation von Fortschritten. Dies erfordert die Einbindung verschiedener Unternehmensbereiche und oft auch externe Auditierungen. Mit der kommenden europäischen Berichtspflicht “Corporate Sustainability Reporting Directive”, kurz CSRD, kommen in den nächsten Jahren auf viele Unternehmen sehr umfassende Berichtsanforderungen zu, die vom Wirtschaftsprüfer im Rahmen des jährlichen Berichtszyklus geprüft werden müssen.
MT: Beinhaltet der von Ihnen beschriebene Nachhaltigkeitsbericht die Anforderungen des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK)?
Maslo: Ja, genau, ein guter Nachhaltigkeitsbericht deckt die Anforderungen des DNK ab. Der DNK bietet einen Rahmen für die Berichterstattung, der Aspekte wie Unternehmensführung, Umweltschutz, soziale Verantwortung und Mitarbeiterbelange umfasst. Eine holistische Nachhaltigkeitsberichterstattung inkludiert diese Standards, um eine umfassende und vergleichbare Darstellung der unternehmerischen Nachhaltigkeit zu gewährleisten.