(September 2018) Anhand eines neu entwickelten flexiblen Fertigungsprozesses haben neun Partner aus sechs europäischen Ländern im EU-Forschungsprojekt »Openmind« den Weg für eine neue Generation minimalinvasiver medizinischer Instrumente geebnet: Konfigurierbare Einwegartikel wie Führungsdrähte, Katheter und Instrumente aus Faserverbundkunststoffen, die ohne Metallteile auskommen und sich damit besonders für die patientenschonende Magnetresonanztomographie eignen.
Ziel des Projekts war es, für die hochgradig individualisierbaren Produkte die erforderlichen flexiblen Fertigungstechnologien bereitzustellen.
Die neun Partner im EU-Forschungsprojekt »Openmind« hatten sich Mitte 2015 mit dem Ziel zusammengeschlossen, innerhalb von drei Jahren eine flexible Fertigungstechnologie für hochindividuelle medizinische Einwegwerkzeuge zu entwickeln. Die Medizinprodukte aus faserverstärktem Kunststoff (FVK), die ohne metallische Werkstoffe auskommen, eignen sich sowohl für den Einsatz im Röntgengerät und im Computertomographen als auch für diagnostische Untersuchungen und sogar Operationen zur Therapie im Magnetresonanztomographen.
Mit ihrer neuen Fertigungsprozesskette wollen die Projektpartner die Lücke zwischen der effizienten Fertigung vollständig standardisierter und individuell hergestellter Medizinprodukte schließen. Dabei ist die Fertigungskette so angelegt, dass sich der laufende Prozess selbstständig weiter optimiert: Alle Prozessdaten, die während der Herstellung gewonnen werden, werden anhand von lernenden Data-Mining-Algorithmen analysiert und ausgewertet. So lassen sich Prozessdaten für zukünftige Produktkonfigurationen leichter vorhersagen und die Dauer der Produktentwicklung und -herstellung kann sich bis zu 50 Prozent verkürzen. Die Projektpartner rechnen mit Kostenersparnissen bis zu 30 Prozent und gehen davon aus, dass sich auch die »Time-to-Market« um 30 Prozent verkürzen wird.
Die Fertigungskette für die neuen medizinischen Instrumente aus FVK setzt auf den Prozess des Mikro-Pullwinding, eine Kombination des Pultrusions- und Wickelverfahren zur kontinuierlichen Herstellung miniaturisierter Profile, das sich für kleine Stückzahlen bis hin zur Unikatfertigung eignet. Mit diesem Verfahren lassen sich Festigkeit und Biegsamkeit der Produkte je nach Orientierung der eingesetzten Fasern anpassen. Da die Fasern weder das Magnetfeld beeinflussen noch elektrische Leitfähigkeit besitzen, eignen sich die Instrumente besonders gut für den Einsatz im MRT und erlauben Medizinern eine völlig neue Sicht auf ihr Operationsgebiet. Für die Magnetresonanztomographie eröffnen sich damit neben der reinen Diagnose weitere umfassende Einsatzfelder für therapeutische Anwendungen – besonders bei strahlungsempfindlichen Patienten wie Kindern oder Schwangeren. Als erstes minimalinvasives Werkzeug entstand im Projekt Openmind ein Führungsdraht für Katheteranwendungen, wie sie häufig bei Eingriffen am Herzen genutzt werden.
Neben dem Nutzen für die Hersteller von Medizinprodukten trägt das Projekt »Openmind« nicht zuletzt auch dazu bei, Gesundheitskosten zu reduzieren: Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen zusätzlich zu den reinen Behandlungskosten allein in Europa mehr als 45 Milliarden Euro Kosten pro Jahr. Individualisierte minimalinvasive Instrumente helfen den Medizinern dabei, die Effizienz ihrer Arbeit zu verbessern. Die moderne Medizin profitiert durch die sogenannten Schlüssellochoperationen, die die Genesungsdauer der Patienten deutlich verkürzen und Komplikationen verringern. Die flexiblen, vielseitig einsetzbaren Werkzeuge aus FVK können außerdem in Verbindung mit den Fortschritten bei den bildgebenden Verfahren als Wegbereiter für völlig neue Therapieangebote dienen.
Das Projekt Openmind wurde im Rahmen des EU-Förderprogramms Horizon 2020 unter dem Förderkennzeichen 680820 für drei Jahre gefördert Mit einem Abschlussworkshop am 29. August 2018 stellten die Projektpartner ihre Ergebnisse in Aachen der Öffentlichkeit vor.
Quelle Text und Bild: Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT