(April 2021) In einem gemeinsamen Kommentar betonen die Verbände der Europäischen Akademien für Wissenschaft und Medizin EASAC und FEAM die Verantwortung des Gesundheitssektors, seine eigenen Treibhausgasemissionen zu reduzieren und mit anderen Sektoren zusammenzuarbeiten, um die Dekarbonisierung der Wirtschaft zu beschleunigen.
Die wachsenden und möglicherweise katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels auf die geistige und körperliche Gesundheit – Exposition gegenüber extremer Hitze, Überschwemmungen und Dürren; Auswirkungen sinkender Ernteerträge auf die Ernährung, Zunahme von Krankheiten und indirekte Auswirkungen durch Armut und Vertreibung – sind in den letzten Jahren stärker in den Fokus gerückt. Sie stellen unsere Gesundheitsversorgung zunehmend vor erhebliche Herausforderungen.
Ironischerweise ist der Gesundheitssektor selbst für 5 Prozent der europäischen Treibhausgasemissionen verantwortlich und trägt somit zu einer zunehmend ungesunden Zukunft bei. Es sei denn, er ergreift Gegenmaßnahmen. „Der Heilungsauftrag des Gesundheitswesens sollte ein guter Grund sein, eine Führungsrolle im Klimaschutz zu übernehmen. In einigen Ländern sehen wir bereits wegweisende Initiativen des Gesundheitssektors zur Reduzierung des eigenen CO2-Fußabdrucks “, erklärt Prof. Dr. Volker ter Meulen, Vorsitzender des EASAC- Programms für Biowissenschaften.
Der Kommentar baut auf weiteren Analysen der Akademien seit Veröffentlichung des EASAC-Berichts „Die Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit in Europa“ im Juni 2019 auf. Der Bericht konzentrierte sich gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels. Jetzt betonen die Wissenschaftler die Verantwortung des Gesundheitssektors mit gutem Beispiel voranzugehen, seine eigenen Treibhausgasemissionen zu reduzieren und mit anderen Sektoren zusammen die Dekarbonisierung der Gesamtwirtschaft voranzutreiben.
Lokaler und unmittelbarer Nutzen für die Gesundheit
„Das Beste daran ist, dass die Dekarbonisierung des Gesundheitssektors nicht nur dem Klima hilft“, erklärt Robin Fears, Direktor des EASAC-Programms für Biowissenschaften. „Wir sehen große Chancen in umweltfreundlicher Beschaffung, Grünanlagen und besseren Gebäudestrukturen bis hin zu einer gesünderen Ernährung der Patienten auf der Grundlage nachhaltig angebauter Lebensmittel ebenso wie in digitaler Gesundheitsförderung und anderen innovativen Modellen der Patientenversorgung. Diese Minderungsmaßnahmen innerhalb der Gesundheitssysteme dienen nicht nur einer effizienteren Ressourcennutzung, sondern sind lokal und unmittelbar der Gesundheit förderlich.“
Eine große Chance für die Europäische Union
EASAC und FEAM begrüßen die zunehmend ehrgeizigen CO2-Reduktionsziele der EU. Sie bedauern jedoch, dass der Gesundheitssektor bisher selten in die Diskussion über die Dekarbonisierung auf europäischer Ebene einbezogen wurde. Sie sehen eine große Chance für die EU, sich stärker in Gesundheitsfragen zu engagieren und Empfehlungen zur Förderung solcher Initiativen abzugeben. „Die EU sollte die Ambitionen des Gesundheitssektors konkret politisch vorantreiben, beispielsweise im Rahmen aktueller Initiativen der Europäischen Kommission für ein nachhaltiges öffentliches Beschaffungswesen und der pharmazeutischen Strategie“, erklärt FEAM-Präsident Prof. George Griffin.
Die kürzlich angekündigten Bestrebungen für eine Europäische Gesundheitsunion geben weitere Impulse für Maßnahmen im Gesundheitssektor. Sie sollten mit anderen politischen Maßnahmen und strategischen Prioritäten wie Kreislaufwirtschaft, Bioökonomie, digitale Gesundheit, Gebäudeeffizienz („Renovation Wave“), Farm-to-Fork-Strategie, Green Deal, Erholung nach COVID-19, in Einklang gebracht und durch gemeinsames internationales Handeln im Hinblick auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung und die Ziele des Pariser Klima-Abkommens vorangetrieben werden.
Der Gesundheitssektor kann dazu beitragen, Transformationshindernisse zu überwinden, indem er die gesundheitlichen Vorteile der Dekarbonisierung in einer Reihe von Sektoren – einschließlich Energie, Ernährung, Verkehr und Wohnen – aufzeigt. „Die EU hat die Möglichkeit, internationale Maßnahmen voranzutreiben: Der Klimagipfel COP26 in diesem Jahr ist eine unvergleichliche Gelegenheit, das Engagement für die Ziele des Pariser Übereinkommens zu beschleunigen. Dazu müssen alle Sektoren ihren Beitrag leisten müssen“, schließt Griffin.
Quelle Text: EASAC – European Academies‘ Science Advisory Council
Quelle Bild: Mirjam Bauer