
In der Medizintechnik ist ein effizientes Supply Chain Management (SCM) entscheidend, um die Materialflüsse zu optimieren, den Informationsaustausch zu intensivieren und unternehmensübergreifende Prozesse zu straffen sowie zu beschleunigen. Diese Prozesse sind von besonderer Bedeutung, da sie nicht nur die Produktion, sondern auch die termingerechte Auslieferung an Apotheken, Krankenhäuser und Endverbraucher wie Ärzte oder Patienten sicherstellen müssen.
Dieser Beitrag bietet Ihnen einen Überblick in die essenziellen Elemente des SCM in der Medizintechnik:
- Beziehung zwischen Logistik und SCM
- Komplexitätsfaktoren und Störquellen in der Lieferkette
- Drei Phasen des SCM
- Resilienz von Lieferketten
- Digitalisierung und KI im SCM
- Fragenkataloge für Lieferanten und Notfallplan
- Integration von SCM im Unternehmen
Beziehung zwischen Logistik und SCM
Logistik und SCM stehen in enger Verbindung. Sie haben jedoch unterschiedliche Aufgaben im Bereich der Lieferkettenverwaltung. Logistik bezieht sich hauptsächlich auf die operativen Abläufe der internen Lieferkette, wie beispielsweise die Lagerhaltung, den Transport und den Materialfluss. Das Supply Chain Management (SCM) hingegen ist ein strategisches Konzept, das sich sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens bezieht. Es umfasst die Planung, Steuerung und Kontrolle von Informations-, Material- und Finanzflüssen.
Ein effektives SCM in der Medizintechnik steigert nicht nur die Effizienz, sondern sichert auch die Qualität und Kontinuität. Durch eine enge und kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und Kunden werden Prozesse optimiert. Dies erfordert eine reibungslose Zusammenarbeit aller Beteiligten, um die Verfügbarkeit medizinischer Produkte sicherzustellen. Das erhöht die Produktqualität und Patientensicherheit.
Komplexität und Störquellen in der Lieferkette
Je nach Art der Medizinprodukte sind die Lieferketten sehr komplex. Dies wird von mehreren Schlüsselfaktoren beeinflusst wie der Verfügbarkeit und Qualität der Rohstoffe, Produktvielfalt, Transportarten und -kosten, regulatorische Anforderungen sowie Abhängigkeiten von globalen Lieferanten. Diese Elemente beeinflussen die Effizienz der Lieferkette und erfordern eine gute Planung und Überwachung, um die Kontinuität und Qualität zu gewährleisten. Häufige Störquellen sind Lieferverzögerungen, Qualitätsmängel, regulatorische Änderungen oder Naturkatastrophen.
Um diese Herausforderungen zu bewältigen, bedarf es einer transparenten und flexiblen Lieferkette, die schnell auf Veränderungen und Störungen reagiert. Ein proaktives Risikomanagement sowie kontinuierliche Kommunikation und Anpassung sind dabei wesentliche Erfolgsfaktoren.
Drei Phasen des SCM
Supply Chain Management lässt sich in drei zeitliche Planungshorizonte unterteilen:
- Kurzfristige Planung: Dabei legen Sie den Fokus auf aktuelle Bestände, Aufträge und Produktionspläne mit raschen Anpassungen bei Störungen. Diese Phase umfasst die tägliche und wöchentliche Verwaltung von Lagerbeständen und Bestellwesen. Entscheidend ist hierbei die schnelle Reaktionsfähigkeit auf plötzliche Veränderungen in der Nachfrage.
- Mittelfristige Planung: Dies umfasst die Entwicklung von Produktionsplänen, Anpassungen an saisonale Nachfrageschwankungen und Bewertung von Lieferantenleistungen. Der Betrachtungszeitraum liegt zwischen drei und 24 Monaten. Ziel ist es, Abweichungen zu minimieren und sicherzustellen, dass die Lieferanten in der Lage sind, kontinuierlich hohe Qualitätsstandards zu erfüllen.
- Langfristige Planung: Dazu gehören strategische Entscheidungen über Netzwerkdesign, IT-Infrastruktur und die Einführung zukunftsweisender Technologien, die in der Regel für einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren getroffen werden. In dieser Phase werden eingehende Analysen und Prognosen durchgeführt, um langfristige Trends und Entwicklungen zu ermitteln und die Lieferkettenstrategie entsprechend anzupassen.

Resilienz der Lieferkette
Die Resilienz einer Lieferkette bezeichnet die Fähigkeit, sich flexibel an unerwartete Störungen anzupassen und diese schnell zu überwinden. Dies erfordert eine gut durchdachte Resilienzstrategien und -maßnahmen wie Notfallpläne, alternative Lieferquellen und kontinuierliche Überwachung. Resilienz ist besonders wichtig in Krisenzeiten, wie bei Pandemien oder Naturkatastrophen.
Ein resilienter Ansatz beinhaltet:
- Risikoanalyse und Management: Regelmäßige Bewertungen potenzieller Risiken sowie Implementierung gezielter Präventionsmaßnahmen.
- Diversifizierung der Lieferantenbasis: Zusammenarbeit mit mehreren Lieferanten, um Abhängigkeiten zu reduzieren und das Risiko von Lieferengpässen zu minimieren.
- Flexibilität und Agilität durch Technologieeinsatz: Einsatz moderner Technologien zur Echtzeitüberwachung und schnellen Anpassung an unerwartete Störungen.
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz im SCM
Die Integration digitaler Technologien wie Künstlicher Intelligenz (KI) und Blockchain wird Ihnen die Transparenz und Sicherheit in der Lieferkette erheblich verbessern. KI wird eingesetzt, um Frühwarnsysteme für potenzielle Lieferengpässe zu entwickeln, Nachfragetrends vorherzusagen, Lagerbeständen zu optimieren und Lieferzeiten zu verkürzen. Zudem erkennen Sie Anomalien oder Abweichungen im Produktions- und Transportprozess. Die Blockchain-Technologie sorgt für eine manipulationssichere Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Lieferkette. Jeder Schritt wird nachvollziehbar dokumentiert, was die die Rückverfolgbarkeit verbessert.
Fragenkatalog für Lieferanten und Notfallplan
Der Lieferantenfragekatalog ist ein Teil des Notfallplan (engl. Business Continuity Plan, BCP) und ist für die Resilienz der Lieferkette von entscheidender Bedeutung. Ein detaillierter Fragenkatalog hilft Ihnen, potenzielle Lieferanten hinsichtlich ihrer Lieferfähigkeit, Zuverlässigkeit und Qualität zu bewerten. Ein Lieferantenfragenkatalog sollte folgende Aspekte abdecken:
- Lieferzuverlässigkeit und Kapazitäten: Kann der Lieferant regelmäßige und pünktliche Lieferungen gewährleisten?
- Qualitätssicherungsmaßnahmen: Welche Schritte unternimmt der Lieferant zur Aufrechterhaltung eines hohen Qualitätsstandards?
- Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: In welchem Umfang kann sich der Lieferant schnell auf unvorhergesehene Änderungen einstellen?
Der Notfallplan umfasst unter anderem folgende Elemente:
- Kontinuitätsstrategien: Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Betriebs im Falle von Störungen.
- Alternativlieferanten: Liste von alternativen Lieferanten zur kurzfristigen Sicherstellung der Lieferkette.
- Kommunikationsprotokolle: Klare Kommunikationswege und Zuständigkeiten im Krisenfall.
Integration von SCM im Unternehmen
SCM muss als zentraler Bestandteil der Unternehmensstrategie verstanden und in alle Unternehmensbereiche integriert werden. Dies setzt eine enge Zusammenarbeit mit Entwicklung, Produktion, Qualitätsmanagement und IT voraus, um eine durchgängige Sicht auf die gesamte Lieferkette zu gewährleisten.
Eine gut integrierte SCM-Strategie bietet:
- Verbesserung der Zusammenarbeit: Regelmäßiger Austausch und Abstimmung zwischen verschiedenen Abteilungen.
- Einsatz moderner Technologien: Integration fortschrittlicher Systeme zur Überwachung und Steuerung der Lieferkette.
- Fortlaufende Optimierung: Nachhaltige Implementierung von Best Practices und kontinuierliche Prozessverbesserungen.
Eine widerstandsfähige Lieferkette erreichen Sie durch folgende Maßnahmen:
- Strategische Ausrichtung: Klare Definition von Geschäfts- und SCM-Ziele zur gezielten Steuerung der SCM-Aktivitäten im Einklang mit den Unternehmenszielen.
- Robuste Risikomanagementstrategien: Nachhaltigkeit und vorausschauendes Risikomanagement als zentraler Grundpfeiler der SCM-Strategie.
- Bedarfsorientiertes Bestandsmanagement: Optimierung der Lagerbestände durch die Implementierung präziser Prognosemodelle und den Einsatz fortschrittlicher Analysewerkzeuge für eine effiziente Bestandsoptimierung.
- SMART-Monitoring: Technologieeinsatz wie IoT und Big Data-Analysen zur Verbesserung der Transparenz durch Echtzeitüberwachung und datenbasierte Entscheidungsfindung.
- Lieferantenmanagement: Auswahl und Bewertung von Lieferanten mit Fokus auf langfristige Partnerschaften zur Sicherstellung einer stabilen Lieferkette.
Eine widerstandsfähige Lieferkette schützt nicht nur vor kurzfristigen Störungen, sondern fördert auch den langfristigen Erfolg und die Innovationskraft. Durch flexible Prozesse und partnerschaftliche Beziehungen werden Unternehmen agil auf Veränderungen reagieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern. Dies stärkt nicht nur die operative Effizienz, sondern unterstützt auch eine nachhaltige Wertschöpfung.
Autor: Andreas Gerber
Dieser Beitrag ist die Kurzversion des umfangreichen Fachbeitrags Supply Chain Management in der Medizintechnik aus dem Wissensportal Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren

F. Capanni/A. Gerber (Hrsg.):
Medizinprodukte planen, entwickeln, realisieren digital,
Der CE-Routenplaner;
Browserbasiertes Onlineprodukt, TÜV Media GmbH
- Praxisleitfaden für Hersteller von Medizinprodukten
- Entwicklungsprozess von der Idee bis zur CE-Kennzeichnung