(Juli 2020) Äußerst präzise, patientenspezifische Anatomiemodelle ermöglichen es Ärzten, Eingriffe bereits vorab am lebensechten Modell zu simulieren und maßgeschneiderte Behandlungswege zu entwickeln. Auf diese Weise lassen sich OP-Zeiten massiv verkürzen und die damit verbundenen Kosten und Risiken erheblich reduzieren. Darüber hinaus erleichtern sie teaminterne Besprechungen sowie Einwilligungsgespräche mit Patienten.
Vom Scan zum fertigen Modell in nur wenigen Stunden
Anders als mit konventionellen Verfahren ist es mithilfe moderner 3D-Drucktechnologien inzwischen möglich, solche individuellen und lebensechten Anatomiemodelle innerhalb von wenigen Stunden kostensparend zu fertigen. Ein Beispiel dafür ist ein Fall des auf Wirbelsäulenbehandlungen spezialisierte Newcastle Hospital in Großbritannien. Ein Patient litt unter einer Neuralrohrfehlbildung in Form einer übermäßigen Auswärtskrümmung des Rückgrats und damit einhergehenden starken Schmerzen. In Zusammenarbeit mit Formlabs waren die Bildgebungsexperten von Axial3D in der Lage, innerhalb von nur 48 Stunden ein maßgetreues, komplexes Modell der Wirbelsäule des Patienten anhand seiner CT- und MRT-Daten zu erstellen, zu drucken und an das Krankenhaus zu liefern. Anders als konventionell gefertigte Modelle beschränkte sich das neue Modell auf den relevanten Teil des Scans. Dadurch verringerten sich zusätzlich die Materialkosten ebenso wie die anschließend erforderliche Analysezeit.
Risiken und Chancen präziser einschätzen
Mithilfe des 3D-Druckmodells konnte das Team innerhalb kürzester Zeit – sowie unter Berücksichtigung aller eventuellen individuellen Risiken – die Möglichkeit einer verkürzenden Osteotomie beurteilen. Der komplexe Eingriff sollte die Rückenmarksspannung ohne eine direkte Nervenschädigung verringern. Der Patient und seine Familie konnten vorab umfassend und anschaulich über mögliche Chancen und Risiken aufgeklärt werden. Zudem gewährte das Modell dem Team Einsichten darüber, welche Stiele beim Einsetzen der Schrauben verwendet werden können und wie bei der OP am besten vorzugehen sei. Eine Operation lässt sich auf diese Weise deutlich präziser planen, patientenspezifische Unterschiede und Besonderheiten lassen sich besser berücksichtigen.
Zeit und Kosten sparen mit patientenspezifischen Modellen
Durch eine komplette Operationssimulation war das Team in der Lage, die Operationszeit für den komplizierten chirurgischen Eingriff um mehr als 120 Minuten zu verringern. So konnten die mit der OP verbundenen Kosten in Höhe von rund 8.000 GBP gespart werden. Zusätzlich half der Ansatz, den Blutverlust einzuschränken und erleichterte die Kommunikation des Chirurgenteams während der OP. Detaillierte und präzise, patientenspezifische Modelle ermöglichen somit sowohl zusätzliche Sicherheit für den Patienten als auch zusätzliche verfügbare OP-Zeit.
Schon heute sind 3D gedruckte patientenspezifische Anatomiemodelle ein wichtiger Bestandteil der Operationsplanung bei komplizierten Wirbelsäuleneingriffen. Darüber hinaus bieten sie auch für andere Behandlungsbereiche wie für die Traumatologie großes Potenzial.
Quelle Text: Stefan Holländer, Managing Director EMEA bei Formlabs
Quelle Bild: Formlabs