(Oktober 2019) Fehlkäufe sind schon privat ärgerlich. Aber im Beruf dürfen sie nicht passieren – erst recht nicht bei wichtigen Anschaffungen im Krankenhaus, Rettungsdienst oder in Arztpraxen. Hier entscheiden Medizinprodukte über Leben und Tod. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Medizinprodukte ergonomisch gestaltet sind und in die Arbeitsabläufe der Gesundheitseinrichtungen passen. Der Produktpreis als einziges Kaufkriterium ist somit riskant.
Lorenz Müller (im Bild rechts) von der FH Münster hat deshalb einen Fragebogen entwickelt, mit dem Einkäufer von Gesundheitseinrichtungen die späteren Anwender, wie Ärzte oder Pfleger, direkt in den Kauf miteinbeziehen können. „Denn sie wissen ja aus ihrem Arbeitsalltag am besten, was sie brauchen“, erklärt der wissenschaftliche Mitarbeiter und Doktorand vom Zentrum für Ergonomie und Medizintechnik (ZEM). Für seinen Fragebogen erhielt Müller jetzt den mit 1.500 Euro dotierten zweiten Preis für Patientensicherheit in der Medizintechnik in Frankfurt. Der Preis wird jährlich von der Deutschen Gesellschaft für Biomedizinische Technik im VDE und dem Aktionsbündnis für Patientensicherheit (APS) vergeben.
So läuft ein Beschaffungsprozess im Kern ab: Werden Ärzte und Pfleger am Einkauf beteiligt, werden Medizinprodukte, die infrage kommen könnten, ausgeliehen, und über einen meist längeren Zeitraum im Klinikalltag erprobt – die sogenannte Probestellung. „Das ist jetzt nichts Neues“, erklärt Müller, „aber die Produkttests sind nicht standardisiert, und die Erfahrungen, also quasi die Fazits der Anwender, werden kaum ausgewertet. Häufig gibt es nur mündliche Absprachen. Das alles lässt sich also nicht systematisch miteinander vergleichen, und das ist das größte Problem.“ Herausgefunden hat Müller dies, weil er mit einem studentischen Team insgesamt 63 Interviews in Gesundheitseinrichtungen geführt hat. Sie dienten als Datengrundlage, die Müller analysiert und ausgewertet hat. Insgesamt 249 Kriterien kamen zum Vorschein, die er im Fragebogen bündelt: in 13 festen Fragen, die allgemeingültige Produktanforderungen wie Bedienbarkeit und Funktionalität abfragen, und variablen, die je nach Medizinprodukt hinzugefügt werden können. „Mein Anspruch war, dass der Fragebogen auf alle Medizinprodukte passen soll.“
Der Clou: Aus den Antworten errechnet sich ein Wert zwischen 0 und 100, der leicht zu kommunizieren und zu vergleichen ist. „Das hilft den Einkäufern, so können sie das jeweilige Produkt direkt bewerten“, erklärt Müller. Und wenn die Anwender zufrieden sind mit dem Produkt und es sich ohne Schwierigkeiten reibungslos in den Arbeitsalltag integrieren lässt, hat das positive Auswirkungen, wie eine Minderung der Bedienfehler, einen geringeren Schulungsaufwand, geringere Servicekosten, einen schnelleren Ablauf von Prozessen. Genau will Müller dies in seiner Doktorarbeit quantifizieren.
Den Fragebogen haben Müller und sein betreuender Professor Dr. Claus Backhaus von der FH Münster bereits in Workshops und Feldstudien validiert, unter anderem in Kliniken und Arztpraxen in Bonn, Potsdam, Dresden und Münster. Der Fragebogen lässt sich jetzt über die Webseite der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) als PDF herunterladen.
Quelle Text: FH Münster
Quelle Bild: VDE/Hatice Altintas