(Oktober 2017) Die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) e. V. freut sich über den Erfolg ihrer Jahrestagung an der Universität Oldenburg. Rund 600 Wissenschaftler und Praktiker diskutierten, wie Visionen aus den Arbeitsgebieten der GMDS unser Gesundheitssystem durch einen Brückenschlag in die praktische Medizin hinein stärken.
Das Spektrum der eingereichten 260 Beiträge reichte von Datenschutz und Digitalisierung der Medizin über Methodik in der klinischen und epidemiologischen Forschung bis zu Fragen der Dokumentation, Entscheidungsfindung und Ethik. Das Programm bot weiterhin Tutorien und Workshops zu aktuellen Themen. International herausragende Wissenschaftler setzten Schwerpunkte.
Die beiden Oldenburger Wissenschaftler Prof. Dr. Rainer Röhrig (Medizinische Informatik) und Prof. Dr. Antje Timmer (Epidemiologie und Biometrie) leiteten die Tagung. Sie wurden vom Department für Versorgungsforschung an der Fakultät für Medizin und Gesundheitswissenschaften der Universität Oldenburg unterstützt. Der Standort Oldenburg zeigte den rund 600 Gästen das attraktive Umfeld mit Stadt- und Wissenschaftsführungen in Kooperation mit Partnern vor Ort.
Neuer Fachbereich gegründet
In der interdisziplinären Fachgesellschaft haben in den letzten Jahren die Themen Medizinische Bioinformatik und Systembiologie zunehmend an Bedeutung gewonnen. Diesem wichtigen Trend trägt die GMDS durch die Gründung des Fachbereichs Medizinische Bioinformatik und Systembiologie Rechnung, den Prof. Dr. Tim Beißbarth, Gruppenleiter Statistische Bioinformatik, Universitätsmedizin Göttingen, führt.
Statements von der Veranstaltung
Prof. Dr. Tim Beißbarth, Fachbereichsleiter Medizinische Bioinformatik und Systembiologie: „Unter Bioinformatik verstehen wir die Erforschung, Entwicklung und Anwendung computergestützter Methoden zur Beantwortung molekularbiologischer und biomedizinischer Fragestellungen. In der Systembiologie werden dabei mathematische Modelle genutzt, um biologische Systeme besser zu beschreiben und zu verstehen. Darauf aufbauend zielt die Systemmedizin als interdisziplinärer Ansatz darauf ab, mit Hilfe eines besseren systemischen Grundverständnisses einer Erkrankung Diagnoseverfahren und Behandlungsstrategien für Patienten zu verbessern. Diese Fächer decken zentrale Fragestellungen in der GMDS ab und überlappen mit den bereits existierenden Fachbereichen. Um diese Themen in der Zukunft in der GMDS noch weiter zu stärken und die Gebiete innerhalb der Fachgesellschaft sowie nach außen zu vertreten, haben wir den neuen Fachbereich ‚Medizinische Bioinformatik und Systembiologie’ gegründet.“
Prof. Dr. Ulrich Mansmann, GMDS-Präsident: „Die Digitalisierung der Medizin wird neues Wissen in Form von Algorithmen bringen. Diese versuchen, den Arzt in Diagnose, Prognose und bei Therapieentscheidungen zu unterstützen. Die Integration dieses Wissens in den ärztlichen Alltag wird Gewohntes massiv verändern. Für Ärzte bedeutet dies erst einmal nicht eine Entlastung: Entsprechende Websites und Apps werden in großer Fülle zu Verfügung stehen. Wie findet der Arzt die für ihn richtigen, wie macht er sich mit den Algorithmen vertraut?
Die GMDS ist sich dieser Herausforderung für den Arzt bewusst; sie bietet ihre umfassende wissenschaftliche Kompetenz an, neue effektive und für den Arzt angemessene Formen für die anstehende Revolution im medizinischen Wissensmanagement zu entwickeln. Dies impliziert auch eine Weiterentwicklung der evidenz-basierten Medizin durch neue Orientierungshilfen zu digitalen Instrumenten.“
Prof. Dr. Rainer Röhrig, Präsident der Veranstaltung: „Ich habe mich als Tagungspräsident gefreut, unsere junge Fakultät vorstellen zu können. Das Motto der Tagung ‚Mit Visionen Brücken bauen’ gilt sowohl für die aktuellen Entwicklungen der Fächer wie auch der Fachgesellschaft. Die Vision, dass wir mit Daten aus unterschiedlichen Quellen die Prozesse im menschlichen Körper und in der Interaktion mit der physischen, chemischen und sozialen Umwelt besser verstehen, um sie für bessere diagnostische und therapeutischen Entscheidungen nutzen zu können, eint viele Fächer und Fachdisziplinen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir Brücken bauen bzw. ausbauen. Man braucht die Expertise von vielen Spezialisten, verschiedenen medizinischen Fachdisziplinen, aber auch Naturwissenschaften und den verschiedenen Data Sciences, um die komplexen Aufgaben und Herausforderungen meistern zu können. Allerdings darf dabei nicht vergessen werden, dass weiter der Mensch – als Patient oder Bürger – im Mittelpunkt stehen sollte. Wir sind dann wirklich erfolgreich, wenn wir Methoden und Verfahren entwickeln, die zumindest mittel- oder langfristig einen Nutzen entwickeln können.“
Prof. Dr. Ulrich Sax, Fachbereichsleiter Medizinische Informatik: „Durch den hohen Spezialisierungsgrad in der Medizin – von der präzisen Phänotypisierung über diverse Biomarker und perspektivisch unter systematischer Einbeziehung von Umwelteinflüssen (Exposom) – sind in den vergangenen Jahren die Anforderungen an das Daten- und Wissensmanagement massiv gestiegen. Nicht nur die Primärdatenquellen, sondern vor allem Extraktions-, Transformations- und Integrationsmechanismen müssen als Pipeline validierbar sein. Unter Einbeziehung der jeweiligen Prozesseigner wird ein hochwertiger, interdisziplinärer Dialog einerseits für die Forschung, andererseits zunehmend auch für die Krankenversorgung (Interdisziplinäre Therapieboards) zu ermöglichen sein.
Die GMDS ist hierzu hervorragend aufgestellt, da alle relevanten Disziplinen zum Teil seit Jahrzehnten eng zusammenarbeiten. Dennoch sind fortlaufend Anstrengungen zu unternehmen, um die aktuelle bzw. neue Fachmethodik in die Mitgliedschaft zu tragen und um neuer Fachexpertise in der GMDS einen Heimathafen anzubieten.
Gerade in den BMBF e:med-Ausschreibungen zur Systemmedizin und in der Medizininformatik-Initiative des BMBF kommen die Vorteile dieser gelebten Interdisziplinarität voll zum Tragen.“
Prof. Dr. Harald Binder, Fachbereichsleiter Medizinische Biometrie: „Aktuell bildet sich das Berufsbild des ‚Medical Data Scientist’ heraus. Inhaltlich ist dieses an der Schnittstelle zwischen Medizinischer Biometrie, Epidemiologie und Medizinischer Informatik angesiedelt. Zur Klärung und Diskussion zukünftiger Entwicklungen hat der Fachbereich Biometrie gemeinsam mit den anderen Fachbereichen der Gesellschaft einen Keynote-Vortrag und Workshop auf der Jahrestagung organisiert.“
Barbara Hoffmann, Stellvertretende Fachbereichsleiterin Epidemiologie: „Die Epidemiologie ist Detektivarbeit, sie erforscht die Gesundheit der Bevölkerung: Wie entstehen Krankheiten, was wirkt präventiv, welchen Einfluss haben Lebensstil, Genetik und Umfeld? Die Epidemiologie der Zukunft steht mit der Digitalisierung vor neuen Chancen, aber auch neuen Herausforderungen. Heute stehen beispielsweise Daten aus Fitnesstrackern und Gentests zur Verfügung, also große Datenmengen sehr unterschiedlicher Qualität. Die epidemiologische Forschung profitiert hier vom engen Austausch mit den anderen Fachbereichen der GMDS. Ziel ist es, gemeinsam zur Verbesserung der Gesundheit aller beizutragen.“
Anke Schöler, Sektionsleiterin Med. Dokumentation: „Die Medizinischen Dokumentare sehen sich als Bindeglied zwischen den GMDS-Fachbereichen. Wir sind an sämtlichen Prozessen beteiligt, die sich mit der Erfassung, Erschließung und Weiterverarbeitung medizinischer Daten beschäftigen. Bei dem stetig wachsenden Volumen dieser Daten liegt unser Hauptaugenmerk darauf, die optimale Umsetzung dieser Aufgaben zu ermöglichen und unsere Ansätze auch in die Weiterbildung und Forschung mit einzubringen.“
Ehrenmitgliedschaften
Neben den vielen herausragenden Wissenschaftlern, die die Jahrestagung bereichert haben, bot die Fachgesellschaft ein besonderes Highlight: Den Herren Prof. Dr. Wilhelm Gaus und Dr. Bernd Graubner wurde am 17. September 2017 die Ehrenmitgliedschaft in der GMDS angetragen. Die beiden langjährigen GMDS-Mitglieder haben sich in besonderer Weise um die GMDS verdient gemacht. Laudationes zu ihren Verdiensten sind hier nachzulesen.
Im Rahmen der Abschlussveranstaltung wurden zahlreiche Preise an die Nachwuchswissenschaftler in Form der Förderpreise sowie die Johann Peter Süßmilch-Medaille vergeben. Zudem wurden die besten Poster in der Medizinischen Biometrie, der Epidemiologie und der Medizinischen Dokumentation bzw. die beste Abstract-Einreichung in der Medizinischen Informatik und ferner das beste Medizininformatik-Team des Jahres 2016/2017 ausgezeichnet.
Die nächste Jahrestagung der GMDS unter dem Motto „Das lernende Gesundheitssystem: forschungsbasiert, innovativ, vernetzend“ findet vom 2. bis 6. September 2018 in Osnabrück statt.
Quelle Text: GMDS
Quelle Bild: Michael Reiter