(Juli 2018) Im Mai vergangenen Jahres hat das Europäische Parlament die neue Europäische Medizinprodukteverordnung 2017/045 (EU-MDR) verabschiedet. Zwischenzeitlich häufen sich die Stimmen, dass die Umsetzung bis 2020 nur unter Opfern, für manche gar nicht zu stemmen sein wird.
Staatssekretärin Katrin Schütz vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg war auf Einladung der Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg und der MedicalMountains AG nach Tuttlingen gekommen, um sich vor Ort bei einem Medizintechnik-Unternehmen ein Bild über die erwarteten Auswirkungen der neuen Europäischen Medizinprodukteverordnung (EU-MDR) zu machen.
„Betriebe mit weniger als 15 Mitarbeitern werden die größten Probleme haben und viele auf der Strecke bleiben“, prognostizierte Thomas Butsch, Geschäftsführer der HEBUMedical GmbH. Das in vierter Generation familiengeführte Unternehmen stellt unter anderem chirurgische Instrumente, Geräte zur Hochfrequenz-Chirurgie sowie Container zur Sterilisation und Lagerung von Instrumenten her. Butsch bereitet vor allem die Höherklassifizierung von Medizinprodukten Sorgen. Gerade kleine Unternehmen fänden derzeit kaum neues Fachpersonal zur Umsetzung der Vorgaben. Und falls doch, sei nach wie vor unsicher, ob bis 2020 überhaupt ausreichend Benannte Stellen für die Zulassung akkreditiert seien. Als Folge werde sich „die organisch gewachsene Struktur in Tuttlingen massiv verändern“, bedauerte er.
Katrin Schütz erinnerte, dass Baden-Württemberg bei der jüngsten Wirtschaftsminister-Konferenz den Antrag eingereicht habe, die viel zu kurz bemessenen Übergangsfristen zu verlängern. Sämtliche Bundesländer hätten dem zugestimmt und ersuchten nun die Bundesregierung, in entsprechende Verhandlungen mit der EU-Kommission zu treten. Dies sein ein deutliches Signal, unterstrich Schütz.
Die fehlende Weitsicht der europäischen Gremien bemängelte IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Albiez. Zu wenig werde über die Auswirkungen von Verordnungen nachgedacht. EU-MDR, DSGVO oder E-Privacy bedrohten genau die Bereiche, die Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten wirtschaftlich stark gemacht hätten. Dazu zählt auch die Forschung und Entwicklung. Bis zum Jahr 2020 werde es in der Medizintechnik-Branche kaum noch Innovationen geben, so Thomas Butsch, geschweige denn Start-ups. Dies konnte Julia Steckeler von der MedicalMountains AG bestätigen. Das Interesse an Fördermitteln sei drastisch gesunken. Kleinen und mittleren Unternehmen könne jedoch geholfen werden, indem der Förderkanon um Maßnahmen zur Zulassung von Medizinprodukten erweitert werde. Bei den Benannten Stellen sei dringend Planungssicherheit erforderlich, appellierte sie an die Staatssekretärin. Auch müssten Cluster und Verbände besser darin unterstützt werden, Konzepte zur Implementierung der EU-MDR und zu Beratungsleistungen zu entwickeln. „Viele Firmen wollen weitermachen“, schloss Steckeler, „können es aber unter den jetzigen Umständen nicht“.
Rückhalt erfährt die Branche aus den Bundesländern: Sie haben sich bei der jüngsten Wirtschaftsministerkonferenz einstimmig dafür ausgesprochen, dass die Bundesregierung mit der EU-Kommission über eine Fristverlängerung verhandeln soll. Den Wortlaut der Wirtschaftsministerkonferenz (Punkt 2.3 der Tagesordnung) können Sie der Beschlusssammlung entnehmen.
Quelle Text und Bild: Medical Mountains AG