(Dezember 2019) Die Bundesregierung sieht großes Potenzial im Einsatz von 3D-Druck in der Medizintechnik – insbesondere für patientenindividuelle Sonderanfertigungen von Prothesen oder Orthesen. Trotzdem wird der industrielle 3D-Druck bisher noch nicht großflächig in der Medizintechnik eingesetzt. Die Regierung begründet, die additive Fertigung erfülle noch nicht die Anforderungen für notwendige Zertifizierungen und es bestünde noch Forschungsbedarf in der Materialfrage.
Damit unterschätze sie den Entwicklungsstand des 3D-Drucks in der Medizintechnik, so das Münchener Medizintechnikunternehmen Mecuris, das im November den Tech-Gründerpreis des Innovationsnetzwerkes EIT Digital gewonnen hat.
Seit 2016 ist das Startup ein Vorreiter für Plattformökonomie und Digitalisierung in der Orthopädietechnik. Kernstück ist eine digitale Werkstatt, die Mecuris Solution Platform, die die Arbeit von Orthopädietechnikern ins digitale Zeitalter führt und Patienten, Orthopädietechniker und Fertigungsstätten für 3D-Druck optimal vernetzt. Ziel der gemeinsamen Arbeit sind maßgeschneiderte Prothesen und Orthesen aus dem 3D-Drucker, additiv, also Schicht für Schicht aus pulverförmigem Kunststoff, gefertigt. Diese individualisierten Hilfsmittel unterstützen das Persönlichkeitsgefühl des Trägers, dabei sind Funktion, Farbe und Form dank 3D-Druck keine Grenzen mehr gesetzt.
Entwicklungsstand 3D-Druck
Grundsätzlich sehen wir die Einschätzung der Regierung positiv“, sagt Peter Fröhlingsdorf, CEO Mecuris. „Es ist ein wichtiges Signal, dass die Bundesregierung (BMG) das Potenzial des 3D-Drucks für die Medizintechnik erkannt hat und die Forschung fördert.“ Aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums bedarf es jedoch noch weiterer Studien und Entwicklung in additiven Fertigungsverfahren, da der 3D-Druck häufig technisch noch nicht für die Herstellung von Medizinprodukten geeignet sei. „Diesen Aussagen zum Status Quo der Entwicklungen und Forschung im Bereich 3D-Druck müssen wir klar widersprechen. Der 3D-Druck ist längst in der Medizintechnik-Branche angekommen“, betont Fröhlingsdorf. Tatsächlich produzieren spezialisierte Unternehmen wie Mecuris schon seit Jahren im 3D-Druckverfahren Prothesen und Orthesen, die nicht nur die Lebensqualität der Träger verbessern, sondern auch höchsten Qualitätsstandards und Zertifizierungsnormen entsprechen. Das gilt in besonderem Maße für die Kinder- und Jugendversorgung. Die Mecuris-Prothesenfüße etwa sind CE-gekennzeichnet und ISO-zertifiziert. „In diesem Bereich scheint die Regierung nicht ausreichend informiert zu sein“, kritisiert Manuel Opitz, Gründer und COO von Mecuris.
Als weiterer Schwachpunkt wird von Seiten der Bundesregierung vor allem die Materialauswahl angeführt, die für die Fertigung bislang nur begrenzt zur Verfügung stünde. Kommen Menschen mit den Materialien direkt in Berührung, müsse eine Biokompatibilität nachgewiesen werden. Es fehle noch an Forschungsergebnissen. „Der Nachweis der Biokompatibilität wird grundsätzlich durch den Hersteller der Kunststoffe erbracht“, erklärt Opitz weiter. „Mecuris setzt in diesem Fall stark auf PA 12, ein pulverförmiges Polyamid, das aufgrund seiner guten Hautverträglichkeit sogar in Kosmetika eingesetzt wird.“
Positiv bewertet Mecuris, dass das BMG das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgefordert hat, im Jahr 2020 eine Veranstaltung mit dem Arbeitstitel „Medizinprodukte aus dem 3D-Drucker – Chancen und Herausforderungen“ zu planen. „Das ist ein wichtiger Schritt und unterstützt auch unser Ziel, es Orthopädietechnikern zu ermöglichen, eine echte, patientenindividuelle Alternative zur ‚Versorgung von der Stange‘ zu bieten“, so Peter Fröhlingsdorf abschließend. „Wir sind gespannt auf das Ergebnis und freuen uns auf weitere Entwicklungen im Bereich 3D-Druck in der Medizintechnik im neuen Jahr.
Quelle Text und Bild: Mecuris